r o g e r   f r a n k
 
 
schnäpse zur kunst - duschen gehen

duschen gehen. das verweist zunächst auf die jahrhundertealte beziehung von hygienischen bemühungen und künstlerischen anstrengungen, die uns den fortschritt brachte.
dieser fortschritt beginnt mit jacques louis davids ölbild des schreibfederhaltenden, aber leider toten jean paul marat im bade. Damit war auch die handschrift gestorben und es mußte ganz schnell die schreibmaschine erfunden werden. nun endlich konnte friedrich nietzsche nicht nur mit dem geliehenen klempnerhammer philosophieren, sondern das auch schön schnell zu papier bringen.
während friedrich sich hier doch recht deutsch abmühte, sah die französische lösung mal wieder um ein vielfaches eleganter und überzeugender aus. nachdem jacques louis auf das problem hingewiesen hatte, nahm louis jacques, nämlich daguerre, im gegenzug einfach die kunst selbst mit in verschiedene bäder und ließ sie sich mal so richtig ausentwickeln. und schon war die kunst eine blitzsaubere sache, konnte sich sehen lassen und wurde gerne auch in größerer zahl genommen.
während es bis hier hin also noch recht einträchtig zuging, verkam die beziehung spätestens nach marcel duchamps pinkelbeckenverhöhnung zu einer krisenhaften dialektik der überbietungen. denn gleich nach diesem anschlag rächte sich die sanitärbranche fürchterlich, indem sie zwei kompletten jahrzehnten das aussehen von seifenschalen aller art verpasste. davon haben sich, obwohl beide sofort ende der 70er auseinander gingen, weder kunst noch klempnerhandwerk jemals wieder erholt. heute sind die handelsüblichen nasszellen häßlicher denn je und in der kunst können die gepflegten künstler bloß ihre langweiligkeit parfümieren, die ungepflegten nur ihre mediokrität vor der seife retten.
duschen gehen verweist also auch darauf, daß die arbeit getan, das spiel gelaufen ist. man kann sich jetzt nur noch für die anschließenden geistigen auseinandersetzungen und getränke frisch machen. denn nicht die zeit des fluges der eule ist, wie hegel behauptet, die zeit der reflexionen, in wahrheit ist deren zeit die nach dem duschen und die dusche ist das tor zur weisheit.
mehr unter: www.thehappiness.de


schnäpse zur kunst, c4, berlin 1998

 


aus: die drei maler der lüge,
c4, berlin 1998


biografie
 
geschichte, philosophie, politologie, publizistik und religionswissenschaften studiert und als ausfahrer, beilageneinstecker, baugrobreiniger, dachdecker, designberater, dj, galerist, hangwiesenmäher, hauspostbote, komparse, kopiergehilfe, messebauer, möbelträger, obstpflücker, reinigungskraft, stallarchitekt, zuschneider gearbeitet und ausstellungen gemacht:
in die weichteile
WELTBAUSATZ: endgültiges universalbesteck
happiness deluxe
mädchenträume
spill*refill
CAMERA1 RANDOM DRIVE
derrida likör bar
ars licörica
soft polka_die drei maler der lüge
doublenessl
schnäpse zur kunst
gilbert muttonberry´s "world of game"
silver stories
in berlin, köln, hamburg, london
und an orten wie copyshop, wohnungen, fbk, k2, galerie zimmermann, c4, marstall, meinblau
   

 


aus: die drei maler der lüge,
acryl auf schaumgummi, 1998