Mit großer Neugier wurde Liedermacher Rainald Grebe in Brandenburg an der Havel empfangen. Allein sein „Brandenburg Lied“ macht seit einem Jahr die Runde durch alle Kulturinstanzen der Republik und breitet sich unkontrolliert im Internet aus. Unter jungen Menschen hat Grebe Kultstatus. Von [ice]
Das event-theater und die Fachhochschule Brandenburg hatten, als Organisatoren der Präsentation von „Rainald Grebe und die Kapelle der Versöhnung“, alle Hände voll zu tun. Seit Wochen war das Konzert im Audimax der FHB mit 600 Zuschauern restlos ausverkauft.
Der konzertähnlichen Vorstellung geht eine kurze Geschichte voraus: Die drei Musiker, Marcus Baumgart (Gitarrist und Weinhändler), Martin Brauer (Trommler und Schauspieler) und Rainald Grebe (Sänger und Keyboard) waren Monate zuvor auf der Suche nach Lagerfeuern, dem Ort wo sich Geschichten und Volksmusik oftmals paaren. Sie waren in Zentraleuropa unterwegs, angefangen in Kroatien. Grebes Sprache ist rhythmisch, schnell, aktiv und aktuell. Sie scheint aus einzelnen Improvisationen zu bestehen und wirkt niemals aggressiv. Und sie ist voller Pointen, die nicht immer „political correct“ sind. Wozu, wenn es Politiker auch nicht immer sind? Das Publikum zieht mit und ist von Anfang an kaum zu bremsen.
„Blond am Hang, die Schifffahrt zieht vorbei“, wer kann das sein? Na, die Loreley. Er singt, „Ich kann mir vieles vorstellen, aber zwiebelschneidende Nazis, das kann ich nicht“, wie soll das aussehen? Manche Träne kommt den Zuschauern auch ohne Zwiebeln. Grebe ist bereit, mit Sprache und Witz alles ad absurdum zu führen. Seine eigene Generation wird stilecht auseinander gepflückt: Beate, Dirk, Uschi und Klaus, die als Pärchen in einem Berliner Szenebezirk leben und, was sonst, Sushi kochen. „Roher Fisch auf kaltem Reis mit… reich mir mal den Rettich rüber.“ Pikierte Japaner könnten jetzt aufstehen und den Saal verlassen, doch die sind erst gar nicht gekommen. Und des Mannestraumes ist der Wunsch „ein ruhiges Kind von einer ruhigen Frau“ zu bekommen. Er spricht von Mitte 30-jährigen. Ob im Schwabenland ein Fernsehsender sechs Stunden „Live-Fischen“ überträgt oder die Mongolei zwar kein Surferparadies ist, aber „an jeder Ecke kann man sich Fahrräder ausleihen, um sich das Land anzuschauen“, der Sprachgebrauch macht Schnitte auf die sich der Zuhörer erst gefasst machen muss. Aber er trifft den Nerv, immer wieder.
Rainald Grebe ist Absolvent der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ und war fünf Jahre im Theaterhaus Jena als Bühnenkünstler und Dramaturg tätig. Aktuell ist er Träger des Deutschen Kleinkunstpreises. Über sein komödiantisches Talent kam er zur Musik, wo er sich merkbar zuhause fühlt. Sein Lied über Thüringen wird als „Thüringer Hymne“ verehrt. „Es läuft alles wie von selbst“, beschreibt der Liedermacher seine aktuelle Lage, „aber vor so vielen Menschen, wie hier in der Havelstadt, haben wir bisher noch nicht gespielt.“ Mitte der zweiten Hälfte seines Konzertes, spielte Grebe das „Brandenburg Lied“. Als hätten alle nur drauf gewartet, gab es sofort stürmischen Applaus. Er musste nochmals ansetzen. „In Brandenburg ist wieder jemand gegen einen Baum gegurkt, was soll man auch machen mit 17 oder 18 in Brandenburg?“ Das Publikum sang mit. „In Berlin kann man soviel erleben, in Brandenburg soll es wieder Wölfe geben“, textet Grebe und gegen Ende des Liedes gab es Standing Ovation.
Es ist ein Mix aus Wahrheit, Ironie, einfacher Melodie und multiplen Pointen, die Grebe gradlinig mit Spaß von der Bühne an alle verteilt und wofür ihn die Menschen anschwärmen. Er selber spart nicht mit Selbstironie. „Es sind Verlierer-Lieder ohne jemanden anzugreifen“ sagt Grebe und „sie sind aus der Perspektive des Ostens entstanden.“ Vielleicht ist genau das eines der Gründe der positiven Resonanz. Rainald Grebe und die Kapelle der Versöhnung gehen mit ihrer Musik Richtung Pop und haben in ihrem ersten Konzert in Land Brandenburg die richtige Stadt zur richtigen Zeit besucht.
Das Brandenburg Lied finden sie unter:
http://www.rainald-grebe-club.de
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