Straßenrennen ohne Auto

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Mitten in Brandenburg an der Havel tut sich Ungewöhnliches: In Intervallen halten Polizisten Autos an, um den Verkehr in der St.-Annen-Straße für eine Gruppe Demonstranten stillzulegen. Zu Fuß und auf Fahrrädern wird die Straße ausgenutzt, um einen persönlichen Rekord am Geschwindigkeitsanzeiger festzuhalten. Von [ice]

Weltweit ist Umwelttag. Was die Havelstadt an diesem Tag, außer Altbekanntem, beitragen kann, ist nebensächlich. Fast. Denn die Brandenburger Künstlerfigur Nora Schlecht ruft an diesem Tag zu einem Straßenrennen mitten in der City auf, zum „Ohne Auto Rennen!“. Zur besten Rush-Hour, zwischen 17 und 19 Uhr, sperren drei Polizisten die Hauptverkehrsader St.-Annen-Straße. Dutzende Teilnehmer, zu Fuß und auf dem Fahrrad, sichern sich ihr persönliches Rennen. Der Geschwindigkeitsanzeiger gegenüber der Handwerkskammer meldet immer wieder neue Höchstgeschwindigkeiten. Mit 31, 37, 41 und 44 km/h radeln Renn- und Liegefahrräder innerhalb der 30 km/h Zone, 15, 19, 23 und 29 km/h schaffen die besten Sprinter. Für sturzhelmbeschlagene Mofafahrer, die kurz danach mit 25 km/h an den Demo-Sportlern vorbeipesen, bleibt ein verschwitztes Lächeln. Unter dem Motto „Steig aus! Renn mit! Sei schneller!“ beteiligen sich Männer mit Hunden, Mütter mit Töchtern, Jugendliche mit BMX-Rädern. Über 100 Läufe werden in den beiden Stunden mit Tröten lautstark angefeuert, 57 fallen in die Wertung und bekommen kurz danach eine namentliche Urkunde.

„Es ist eine Gag-Nummer, die das lustvolle Laufen unterstützen soll“, erzählt Christian Radeke, der männliche Teil von Nora Schlecht, „es richtet sich gegen den Verbrauch, auch für jeden kleinsten Anlass das Auto zu benutzen.“ Um solch einer Forderung Gehör zu verschaffen, wäre auch eine Demonstration möglich, das Ergebnis wohl kaum besser. Nora Schlecht bedient sich in seiner Initiative einer Protestform, die derzeit in Heiligendamm bei G-8 Gegnern zu beobachten ist, nämlich durch kreative Aktion alternative Bilder zu schaffen. So tritt dort die „Rebel Clown Army“ in Karnevalskostümen und Wasserspritzpistolen regelmäßig gegen schwer bewaffnete Polizisten an. Die Fotos, die täglich um die Welt gehen, sind eindringlicher als die mancher Straßenkämpfe.

Das „Ohne Auto Rennen!“ ist die erste Aktion, die sich als Ziel die Reduzierung des Autogebrauchs in der Innenstadt der Havelstadt setzt. Das Vorhaben scheint gerechtfertigt, aber auch wie ein weiterer Kampf David gegen Goliath: Denn Brandenburg an der Havel ist eine Autostadt.

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