Mit Geleitschutz kommen die Väter und Mütter im Haus der Offiziere (HdO) auf die Bühne, acht Musiker der sagenumwobenen „Ton Steine Scherben“ Familie aus Berlin. Sie sind eine Mischung zwischen der Verwegenheit eines Keith Richard und dem politischen Einfluss eines Bob Dylans. Einige Musiker stehen seit über 40 Jahren auf der Bühne. Sie sind der Buena Vista Social Club Deutschlands. Von Edv
Ihr erstes Lied, „Wir sind geboren, um frei zu sein“, vereint im HdO auf einen Schlag die rund 250 Besucher. Ihre Identifikation mit den sozialkritischen Texten des 1996 verstorbenen Frontmannes Rio Reiser ist riesig. Seine Intensität in Lyrik und Punk-Rock-Melodien bis heute unverwechselbar.
In den Medien wird die „Ton Steine Scherben“ Family gerne als Legende stilisiert. Zu früh? „Wir sind hier um die Lieder, die Poesie und die Texte von Rio zu feiern“, sagt der ehemalige 68er-Aktivist Jörg Schlotterer (64). Der gutgelaunte graumelierte Herr könnte heute als freundlicher Rentner ohne Stimme durchgehen. Aber er ist Teil der Scherbenfamilie. Dieser kleine Unterschied, und seine politische Überzeugung, machen ihn und die Gruppe wieder zum aktuellen Bestandteil der Musikszene. „Wir haben uns als Band vor drei Jahren neu gegründet, um gegen den globalen Wahnsinn dieser Erde eine Stimme zu erheben.“ Damit weißt er indirekt auf die Eigenständigkeit der Band.
Ohne Zweifel ist das geerbte Liedgut von Ton Steine Scherben gesellschaftspolitisch relevant. Reisers Texte sind kritisch, allgemeingültig, in ihrer Sprache fordernd und manchmal brutal exakt. „Keine Macht für Niemand“ dürfte mittlerweile exemplarisch in den Geschichtsbüchern stehen, so wie J.K Kennedys „Ich bin ein Berliner“ oder Williams Shakespeare „Sein oder Nicht-Sein“.
Im Haus der Offiziere hat der Lebensentwurf der „Ton Steine Scherben“ Family beim Publikum auf jeden Fall den Nerv der Gefühle getroffen: Zwei Stunden rockten sie zusammen, als ob es nur eine Familie gäbe.
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