Anni Heuchel fand während des Lockdowns ihr Glück in den Wasserfarben, und schaffte Werke innerer Schönheit und wilder Gedanken.

Anni Heuchel, Berlin, 2021.

Die Entschleunigung unseres Lebens durch die Zeit der aktuellen Pandemie empfand Anni Heuchel anfangs wohltuend, im Laufe der Zeit dann stark deprimierend. Heuchel fragte nach den Reizen von außen, „wo bleibt der inspirierende Kuss der Muse?“ Sie fühlte sich wie viele junge Menschen alleine, isoliert, sozial vereinsamt. Den Ausweg fand die Kunsthistorikerin über die Bildende Kunst, als Zeichnerin und Malerin. Instagram machte die visuelle Recherche möglich.

Nina Hagen, Sven Regener, Rio Reiser, Aristoteles, Salome, Punks, die Créme de la Créme der musikalischen und philosophischen Elite standen Anni Heuchel zur Seite, um eine Werkserie mit eindrucksvollen Portraits zu schaffen. Nicht genug, dass die farbigen Aquarelle auf festem Papier voller Hingabe und Talent gemalt sind, sie fordert für die Grundeinstellung linker Geisteshaltung eine neue Wertigkeit, in dem sie diese Persönlichkeiten in neue Zusammenhänge stellt.

Königin oder Punk? Anni Heuchel kleidet Nina Hagen nach dem Vorbild des Bildes „Bildnis einer jungen Frau“ des flämischen Altmeisters Rogier van der Weyden in eine weiße edle Haube und in ein feines Gewand. Sogar ihre Hände liegen fromm übereinander. Diese Kleidung aus dem 13. Jahrhundert verkörpert für Heuchel den „Inbegriff der Bravheit“ und versetzt die nonkonformistische Nina Hagen in ein sozial verträgliches Licht. „Was wäre wenn“, fragt Anni Heuchel, „wenn wir diese Geisteshaltung aus einer neue Perspektive sehen würden.“ Nina Hagen, eine edle Dame.

Die Aquarelle sind mit Sorgfalt gemalt und in ihren Aussagen mehrdeutig. Das bekannte Punkrockzeichen, die nach oben zu Hörnern gestreckten Kleiner- und Zeigefinger, wird an der nach unten gehaltenen Hand, am gleichen Arm, das Zeichen eines Fußballtores. Am Handgelenk eine Handschelle mit einer Kugel aus Stahl. Populäre Symbole der Freizeit oder reines Verderb.

Von ihren Bildern könnten Punks tief enttäuscht sein, weil sie nicht laut und auf dem ersten Blick nicht provokant genug sind. Anni Heuchel repräsentiert schlichtweg die Schönen Künste. Sie erforscht extrem kreative Charaktere und produziert einen Clash der Irritationen. Hier ist das Biest gleichzeitig das Schöne.

Der Musiker FM Einheit, ehemals Einstürzende Neubauten, hat es ihr angetan. „Er hat ein verrücktes Gesicht, nicht klassisch schön, aber malerisch wunderschön“, sagt Heuchel, „das Gesicht mit seinen blauen Augen ist wie sein Leben und seine Musik, verstörend, aber ich verfalle ihr mit Leichtigkeit“. Dieses „verschlingt werden von seiner Musik“ mündet bei dem Portrait von FM Einheit in einem Riesenohr, weil das Werk dieses Musikers rein akustisch ist. Jetzt gibt es ein Bild dazu.

Während der Pandemie der vergangenen Monate fragte sich Anni Heuchel, was wir vom Punk lernen können. „Alles“, sagt sie, „die Freiheit des Denkens und nicht engstirnig sein.“ Dazu gehört zum Beispiel der, in der Punkmusik vielzitierte, Themenblock Arbeit, der nun ganz elegant im Homeoffice und in der individuellen Flexibilität mündet. Auf einem ihrer 20 Bilder malt Heuchel eine Büste des weltberühmten griechischen Philosophen Aristoteles (384 – 322 v. Chr.), der das Lebensziel des Einzelnen im Erreichen des eigenen Glückes sieht und portraitiert nebenan, auf Augenhöhe, einen Punkerin.

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